20 Juni 2006

 

Fußball im Büro

Anpfiff zur Arbeitszeit

Der frühe Anpfiff quält die Fans: Um 16 Uhr tritt Deutschland gegen Ecuador an. Die Parlamentarier im Bundestag wollen schneller debattieren, im Otto-Konzern gibt es eine Großbildleinwand. Wir verraten, welche Firmen TV im Büro erlauben und wo weitergearbeitet werden muss.

Wehende Fahnen, freie Drinks, Großbildleinwand: Der Otto-Konzern praktiziert die Ausnahme. Dort dürfen viele Arbeitnehmer das WM-Spiel Deutschland gegen Ecuador auf einer großen Leinwand verfolgen. Etwa 1.000 Leute finden im Unternehmensforum Platz. Allerdings gilt das Angebot nur für Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich, im Kundendienst gibt es keine WM-Ausnahme, sagt Unternehmenssprecher Thomas Voigt.

Kein Fußball während der Arbeitszeit: Das gilt für die meisten großen deutschen Unternehmen und Arbeitgeber. Wer das Spiel sehen will, muss die Gleitzeit nutzen - so lautet die Antwort vieler Unternehmenssprecher, auch die von Uwe Bensien von der Deutschen Post. Gleitzeit betreffe aber lediglich die Mitarbeiter in der Konzernverwaltung, noch schwieriger werde es in den regionalen Briefzentren und Filialen, sagt Bensien. "Die notwendigen Aufgaben gehen vor. Wegen des Spiels bleiben bei uns keine Briefe oder Pakete liegen."

Späte Mittagspause vor dem Fernseher

Auch bei Daimler Chrysler in Stuttgart sind die Produktionsabläufe wichtiger als die Leistung der deutschen Nationalmannschaft. "Fernsehen ist in den Produktionshallen grundsätzlich nicht erlaubt, weil es zu sehr ablenkt", sagt eine Unternehmenssprecherin. Ganz verzichten müssten die Mitarbeiter aber nicht: Es gebe einen Live-Ticker im Intranet und da wo es nicht ablenke, sei Radio hören erlaubt.

Keine Dienstbefreiung für das WM-Spiel lautet auch die Anweisung in der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Wer Fußball wolle, der müsse ausstempeln, sagt ein Sprecher der Behörde. Aber: "Jeder Mitarbeiter hat 30 bis 45 Minuten Pause, die kann er flexibel einsetzen." Zum Beispiel um in der Kantine in der Nürnberger Zentrale wenigstens eine Halbzeit auf dem Fernseher zu sehen. Außerdem müssten die Mitarbeiter in den Service-Centern ja oft schon um 7.30 Uhr mit der Arbeit beginnen und seien dann pünktlich zum Anstoß fertig, heißt es aus der Behörde.

"Sehr verehrte Reisende, zur Halbzeit steht es ..."

Richtig viel zu tun haben heute die Angestellten der Deutschen Bahn. Neben dem Spiel Deutschland - Ecuador stehen noch drei weitere Begegnungen auf dem Plan, zu denen die Fans reisen wollen. Die Bahnmitarbeiter können keines der Spiel sehen, es gibt keine Extra-Bildschirme oder Leinwände, aber immerhin: Auf den Bahnhöfen und in jedem Zug werden die Halbzeit- und Endergebnisse durchgesagt.

Fußballbegeisterte Reisende müssen bei der Lufthansa ebenfalls nicht auf die aktuellen Spielstände verzichten. Die Piloten geben den Passgieren die Tore durch, denn die Verkehrzentrale der Lufthansa tickert die WM-Ergebnisse per Datenfunk in die Cockpits. Lufthansa-Mitarbeiter in Frankfurt können das Spiel in der Kantine auf einer eigens aufgebauten Leinwand verfolgen - sofern keine betrieblichen Belange dagegen sprechen.

Im Bundestag, bei Adidas und bei Kausche und Partner dürfen alle gucken

"Selbstverständlich dürfen unsere Mitarbeiter Fußball gucken", sagt der Leiter der Unternehmenskommunikation von Adidas, Jan Runau. In der Konzernzentrale in Herzogenaurach gilt die Ansage ausnahmslos - kein Wunder, immerhin sponsert Adidas die WM mit Millionenbeträgen. Die verlorene Arbeitszeit müssen sie allerdings nacharbeiten. Diese Regelung gelte übrigens bei allen Spielen, nicht nur für die Spiele der Deutschen. "Jeder kann gucken, was er möchte. Bei Adidas arbeiten über 50 Nationalitäten, da sind nicht alle für Deutschland", sagt Runau.

Richtig gut haben es heute auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Sie haben entschieden, die Haushaltsdebatte im Parlament um 15.30 Uhr zu beenden. Pünktlich zum Anstoß wollen alle vor den Fernsehern sitzen und die Nationalmannschaft anfeuern.

Bei uns findet das letzte Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft auf einer Großleinwand im Konferenzraum statt. Gegrillt wird vom Chef persönlich und kalte Getränke gibt es auch noch dazu. Man könnte glatt meinen, dass man es hier mit aktiver Mitarbeitermotivation zu tun hat. In Wirklichkeit spiegelt es nur unsere entspannte Arbeitsatmosphäre wider.

Comments: Kommentar veröffentlichen



<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?


Site Meter